Frage: Dürfen der Berechnung des
Jahres-Primärenergiebedarfs eines Nichtwohngebäudes eigene, individuell
entwickelte Nutzungen zugrunde gelegt werden? Dürfen die Nutzungsrandbedingungen
der DIN V 18599 Teil 10 (2007-02) Tabellen 4 bis 6 verändert werden?
Antwort der Projektgruppe EnEV der Fachkommission
Bautechnik der Bauministerkonferenz vom 27.05.2009 veröffentlicht am 19.06.2009:
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Ausgangslage
Die
EnEV 2007 und die EnEV 2009 unterteilen die vielfältigen
möglichen Nutzungsarten von Nichtwohngebäuden für Zwecke der
Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs in unterschiedliche
Nutzungen (DIN V 18599-10 Tabelle 4). Diesen Nutzungen werden
jeweils gemeinsame (Tabelle 5) und spezielle (Tabellen 4 und 6)
Nutzungsrandbedingungen zugeordnet. Im Folgenden werden die
Nutzungen auch als „Katalognutzungen“ bezeichnet.
Wird
der Jahres-Primärenergiebedarf eines konkreten Nichtwohngebäudes
berechnet, ist das Gebäude einer oder ggf. - im Rahmen der
Zonierung - mehreren der Nutzungen zuzuordnen. Die jeweils der
Nutzung zugeordneten Nutzungsrandbedingungen dürfen vom Anwender
im Einzelfall grundsätzlich nicht abgewandelt
werden. Dies ergibt sich aus der Bestimmung in Anlage 2 Nr.
2.1.3 Satz 1 EnEV 2007.1 Diese
Vorgabe des Verordnungsgebers verdrängt die Öffnungsklausel
zugunsten individueller Nutzungsrandbedingungen im technischen
Regelwerk (siehe DIN V 18599-10 Abschnitt 6, erster Absatz sowie
Überschrift zu Tabelle 4 „Richtwerte“).
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Abweichende Nutzungen und Nutzungsrandbedingungen
Es
sind Gebäudenutzungen denkbar, die entweder keiner typisierten
Nutzung zugeordnet werden können oder die zwar einer bestimmten
Nutzung zuzuordnen sind, deren konkrete „Betriebsbedingungen“
aber von den typisierten Nutzungsrandbedingungen der o. g.
Tabellen abweichen. Hier sind folgende Grundsätze zu beachten:
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Abweichende Nutzungen
Für den Fall einer von Tabelle 4 abweichenden Nutzung lässt
Anlage 2 Nr. 2.3.2 EnEV 20072 zu Vorgehensweisen zu:
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Satz 1: Verwendung des
Nutzungsprofils Nr. 17 in DIN V 18599-10:2007-02 Tabelle
4 oder
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Satz 2: individuelle
Bestimmung eines Nutzungsprofils „auf der Grundlage der
DIN V 18599-10:2007-02 unter Anwendung gesicherten
allgemeinen Wissensstandes“.
Satz 1 beschränkt sich nach seinem Wortlaut auf eine
abweichende Nutzung. Ein Recht zur Abwandlung der
typisierten Nutzungsrandbedingungen für die Nutzung 17
sieht die Bestimmung nicht vor. Wer diese Alternative
anwendet, muss die vorgegebenen Nutzungsrandbedingungen
verwenden.
Die durch Satz 2 eröffnete
Möglichkeit, eine individuelle Nutzung zu entwerfen,
schließt grundsätzlich auch die Entwicklung
individueller Nutzungsrandbedingungen ein. Satz 2 ist
nicht anwendbar, wenn die konkrete Nutzung einer der
Nutzungen der Tabelle 4 zugeordnet werden kann (und
damit auch muss).
Satz 1 ist nach seinem
Standort in Anlage 2 EnEV 2007 jedenfalls in Fällen der
Zonierung anzuwenden. Die Bestimmung hat aber allgemeine
Bedeutung über den Fall der Zonierung hinaus. Sie gilt
allgemein auch in Fällen, in denen eine Zonierung nicht
in Betracht kommt. Der Wortlaut des Satzes 2 enthält
dementsprechend auch keinen Anhaltspunkt für eine
Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Zonierungsfälle.
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Abweichende Nutzungsrandbedingungen
Im Zusammenhang mit einer Katalognutzung kann der EnEV 2007
keine Erlaubnis zur Verwendung spezieller
Nutzungsrand-Bedingungen, die von den typisierten
Nutzungsrandbedingungen der genannten technischen Regel
abweichen, entnommen werden.3 Eine individuelle
Abwandlung von Nutzungsrandbedingungen für eine
Katalognutzung ist damit grundsätzlich unzulässig.
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Vorgehen in Fällen einer abweichenden Nutzung
Bei
Anwendung des Satzes 2 der Anlage 2 Nr. 2.3.2 EnEV 2007 (oben
2a.) gilt Folgendes:
Die
Angaben für Nutzungsrandbedingungen in Tabelle 4 der DIN V
18599-10:2007-02 beruhen auf den jeweils zugehörigen
Nutzungsprofilen in Anhang A dieses Normteils. Die Herleitung
der Angaben in Tabelle 4 kann damit transparent nachvollzogen
werden. Soll bei einer Berechnung eine individuelle Nutzung
zugrunde gelegt werden, ist diese analog dazu herzuleiten. Es
ist vor allem zu beachten, dass es sich bei den einzelnen
Randbedingungen nicht um die aus anderen technischen Regeln
bekannten Grundlagen für die Bemessung der verwendeten
Anlagentechnik (z. B. Heiz- oder Kühllasten), sondern um jeweils
mittlere, bei der
Nutzung regelmäßig zu erwartende Betriebsbedingungen handelt.
Unabhängig von der statischen Verweisung der EnEV auf die
Ausgabe 2007-02 der DIN V 18599-10 kann davon ausgegangen
werden, dass neue Nutzungsprofile „auf der Grundlage der DIN V
18599-10:2007-02 unter Anwendung gesicherten allgemeinen
Wissensstandes“ entwickelt wurden und ihre Anwendung in
Einzelfällen im öffentlich-rechtlichen Bereich somit zulässig
ist, wenn das Nutzungsprofil unter Berücksichtigung des (noch
nicht veröffentlichten) neuen „Teil 100“ der DIN V 18599
erarbeitet worden ist und soweit die in Anlage 2 Nr. 2.3.2 EnEV
20074 dargestellten Bedingungen vorliegen. In
„Teil 100“ werden Profile aus dem Gewerbe- und dem
Gesundheitsbereich behandelt, die im Rahmen eines vom Bundesamt
für Bauwesen und Raumordnung beauftragten Forschungsprojektes in
Einklang mit DIN V 18599-10:2007-02 entwickelt wurden.
Fußnoten:
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Inhaltsgleich ist
Anlage 2 Nr. 2.1.2 Satz 1 EnEV 2009.
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Inhaltsgleich mit
Anlage 2 Nr. 2.2.2 EnEV 2009.
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Die EnEV 2009 enthält einen einzigen
neuen Tatbestand (Anlage
2 Nr. 2.1.3), bei dem nach Inkrafttreten der
Änderungsverordnung ausnahmsweise eine Anpassung der in DIN V
18599-10:2007-02 vorgegebenen Nutzungsrandbedingungen zulässig
sein wird: Für die Nutzungen 6 und 7 (Einzelhandel/Kaufhaus)
darf die im Einzelfall tatsächlich auszuführende
Beleuchtungsstärke in den Berechnungen angesetzt werden.
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Inhaltsgleich mit
Anlage 2 Nr. 2.2.2 EnEV 2009.
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